Innenstadt Nordost

Wie man an den Straßennamen ablesen kann, war der Markt von Hildesheim ursprünglich deutlich weiter westlich. Nachdem Hildesheim 1249 Stadtrechte bekommen hatte, etablierte sich der Markt an der neuen Stelle, wo auch das Rathaus neu gebaut wurde.

Die gotische Gestalt des Rathauses entstand im 14.-15. Jahrhundert [1]. Im Krieg erlitt es schwere Schäden, es blieben aber wie beim im Süden benachbarten Tempelhaus die Grundmauern erhalten. In den 1980er Jahren bekam das Rathaus wieder seine historischen Fassaden zurück, wobei Dinge wie das Türmchen links oder die Skulpturen am Portal weggelassen wurde.

Rathaus Ende 19./Anfang 20. Jh.
Rathaus 2024

Eines der wenigen alten Steinhäuser hier ist das Tempelhaus, das im Kern Anfang des 14. Jahrhunderts errichtet wurde, dessen Rundtürme und die prächtig verzierte Auslucht aber aus dem 16. Jahrhundert stammen.

Auslucht des Tempelhauses

Ein Großteil der anderen Gebäude hier ist tatsächlich Fake. Im Feuersturm des 22. März 1945 waren vor allem alle Fachwerkhäuser dem Tode geweiht. Das Knochenhaueramtshaus ist ein kompletter Neubau aus den 1980er Jahren, wenn auch als handwerklicher Fachwerkbau. Die Fassaden hat man zu rekonstruieren versucht, insbesondere die plastischen Bildfelder. An der Nordseite musste man dabei Fantasie bemühen, denn die Malereien dort waren nicht dokumentiert.

Portal des Knochenhaueramtshauses

Für den Neubau des Hauses musste das Hotel Rose beseitigt werden, das Anfang der 1960er Jahre nach Plänen von Dieter Oesterlen errichtet worden war. Oesterlen, ein renommierter Architekt, der z. B. auch das TU-Hochhaus in Braunschweig entworfen hat, hatte einen zeitgemäßen Bau vorgelegt, der aber schon 20 Jahre später nicht mehr der Erinnerung an das einstige Gebäude standhalten konnte.

Das Vorbild der Rekonstruktion wurde im Jahr 1529 gebaut und diente der Gilde der Knochenhauer (also: Metzger) u. a. als Versammlungsort. Das Haus links daneben ist das Bäckeramtshaus. Es ist eine freie Rekonstruktion des ursprünglichen Hauses der Bäckergilde.

Bäckeramtshaus und Knochenhaueramtshaus

Auf der Südseite des Platzes sieht man neben dem Tempelhaus das Wedekindhaus, das Lützelhaus und das Rolandhaus. Hinter den drei rekonstruierten Fassaden steckt ein Neubau, der sich über alle drei Parzellen erstreckt. Man ist hier also deutlich freier mit der Wiederherstellung der vernichteten Bausubstanz umgegangen.

Südseite des Marktes

Im Vordergrund sieht man den Marktbrunnen von 1540, der hier allerdings als Kopie von 1984 hingestellt wurde, obwohl das Original den Krieg überlebt hatte und nur über die Zeit verwittert war.

Von den drei Fassaden ist die aufwendigste die des Wedekindhauses, dessen Original von 1598 stammt. Die Schnitzereien stellen Allegorien der freien Künste sowie von Tugenden und Lastern dar.

Wedekindhaus I
Wedekindhaus II

Auch die Nordseite des Platzes war von den Wiederaufbauplänen betroffen: Nach dem Krieg war der Platz vergrößert worden. Nun wurde die alte Fluchtlinie wiederhergestellt – auch wiederum mit freien Rekonstruktionen.

Durch die schmale Kaneelstraße gelanagen wir zur Jakobskirche. Sie ist eine der kleineren Kirchen der Altstadt. Einen Vorgängerbau ablösend, wurde diese Kirche Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet. Nach Kriegszerstörungen gehörte sie noch in den späten 1940er Jahren zu den ersten, die wieder aufgebaut wurden. Der ursprünglich schlanke und hohe Turmhelm wurde dabei durch ein flaches Zeltdach ersetzt.

Nach zweijähriger Schließung wird die „Kulturkirche“ seit 2014 vom „Literaturhaus St. Jakobi Hildesheim“ vor allem für Autorenlesungen genutzt. Die Lage inmitten der Hauptgeschäftsstraße – der Almsstraße – dürfte dafür sorgen, dass sich auch
Menschen hier einfinden, die von solchen Veranstaltungen sonst gar nichts mitbekommen würden.

An der Almsstraße und dem anschließenden Hohen Weg kann man heutzutage viel mehr als am Markt ermessen, wie groß die Kriegszerstörungen gewesen sind: man sieht hier fast ausschließlich Nachkriegsbauten. Am Durchgang zum Andreasplatz findet sich ein Kuriosum, der „umgestülpte Zuckerhut“. Das Fachwerkhaus basiert auf einer Grundfläche von nur 17 m², das oberste Geschoss hat dagegen eine Fläche von 29 m². Effiziente Flächennutzung! Wie zahlreiche Gebäude am Markt ist aber auch dieses kein Original. Vergleichsweise spät – 2009 bis 2010 – wurde das ursprünglich Anfang des 16. Jahrhundert gebaute Haus rekonstruiert.

Anders als Dom, Godehard- und Michaeliskirche ist die Andreaskirche von Gotik geprägt. Die gotischen Teile wurden im wesentlichen im 15. Jahrhundert gebaut. Seit 1542 ist die Kirche protestantisch. Man kann darin einen Gegensatz sehen zwischen dem bürgerlich dominierten Teil der Stadt und dem Dombezirk, in dem sich die Macht des Fürstbischofs konzentrierte und der katholisch blieb.

St. Andreas

Der 114 m hohe Turm (zum Vergleich: das Westwerk des Doms kommt gerade einmal auf 41 m) ist erst von 1883. Auf diesem Foto von wenigen Jahren vorher sieht man noch, dass das Westwerk zuvor baulich von dem Kirchenschiff getrennt war [2].

St. Andreas ca. 1880

Auch um die Andreaskirche herum ist im Zweiten Weltkrieg nicht viel übriggeblieben. Die Städtische Münze macht da eine Ausnahme – von ihr sind zumindest die Grundmauern stehengeblieben. Der Bau von 1530, der nach Ende der eigenen Münzprägung 1772 nicht mehr notwendig war, wurde nach 1800 in ein Wohngebäude umgebaut. Beim Wiederaufbau nach dem Krieg ist das obere Stockwerk dazugekommen.

Alte Münze

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