Von allen historischen Plätzen der Innenstadt ist der Hagenmarkt der, der am meisten unter der Verkehrssituation leidet. Dazu kommt noch, dass hier im weiten Umfeld fast alles im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde – übriggeblieben ist außer der Katharinenkirche eigentlich nur der Heinrichsbrunnen. Bis hier wieder ein geschlossenes Bild des Platzes entstand, vergingen einige Jahrzehnte.
Es gibt aber durchaus Sehenswertes. Das Zentrum des Platzes ist der Heinrichsbrunnen von 1874 mit der Figur Heinrichs des Löwen von Adolf Breymann. In der Hand hält er ein Modell der Katharinenkirche. Heinrich war der Initiator der Gründung des Weichbilds Hagen, hat hier also seine Berechtigung. Um den Brunnen herum stehen einige gern genutzte Sitzbänke.

Bis zum Sturm Xavier 2017 stand hier ein regelrechter Wald mit mehreren Dutzend Robinien, der aus der Umgestaltung des Platzes in den 1980er Jahren stammte. Einige davon wurden entwurzelt, zahlreiche andere aus Sicherheitsgründen gefällt. Ein Nachfolgekonzept für die Gestaltung gibt es 2024 zwar inzwischen, die Umsetzung steht aber immer noch aus.
An der Kirche befindet sich schönes Figurenwerk und Wasserspeier.
Vor allem die Westfassade ist wohl die schönste in der Braunschweiger Innenstadt.

Vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs sah es hier sehr anders aus [1]. Der Hagenmarkt als Ganzes war bis auf die abgehenden Straßen ein geschlossener Platz. Die Häuser stammten aus verschiedenen Epochen.

Ein Blick Richtung Nordwesten im Vergleich zu vor dem Krieg [2]:


An der Ecke zur Wendenstraße stand die Hagenmarktapotheke von 1677 [3]. Im Krieg wurde sie zerstört. Überlebt hat das Barockportal. Es hat jetzt einen Platz am Gewandhaus am Altstadtmarkt gefunden. Da die nördlich an das Gewandhaus angelehnten Fachwerkhäuser im Krieg zerstört wurden und vom Markt nur noch die großflächige nackte Natursteinwand des Gewandhauses zu sehen war, machte man aus der Not einer Tugend und schmückte die Wand mit diesem Portal, das einen neuen Eingang in das Gebäude markiert.

Lange Straße und Hagenbrücke waren von Fachwerkhäusern geprägt [4]. Natürlich war die Lange Straße keine mehrspurige Magistrale.

In der nordwestlichen Ecke des Hagenmarktes gibt es einen Durchgang, der uns zu einem Parkplatz führt, der mit einer weitgehend mit Graffiti besprühten Mauer umgeben ist. Hier stand einmal eine 1897 fertiggestellte Markthalle. Einige Jahre zuvor war der Burgmühlengraben verrohrt worden, so dass sich – wie auf der Strecke von Friedrich-Wilhelm-Straße bis Casparistraße neue Bauplätze ergaben. Mit der Eröffnung der Markthalle endete auch das Marktgeschehen auf dem Hagenmarkt. Nach Kriegsbeschädigungen waren von der Halle nur noch die Außenwände übrig; statt das Dach wiederherzustellen wurden einzelne überdachte Marktstände eingerichtet. Nach einem jahrzehntelangen Niedergang wurden die meisten Häuschen 1976 abgerissen; abseits von Marktzeiten wurde das Gelände Parkplatz; nach weiteren neuen Jahren war nur noch der Parkplatz übrig.

Geschichte
Heute geht man mit einer ziemlichen Selbstverständlichkeit davon aus, dass eine Kirche mit einer repräsentativen Fassade frei steht. Offenbar haben unsere Vorväter anders gedacht. Wie man schon auf einem Vogelschaubild von 1606 sieht, war die Katharinenkirche mal eng umbaut [5]. Vor der Westfassade standen das Rathaus des Weichbilds und ein Gewandhaus. Nachdem die Stadt 1671 von den Herzögen von Braunschweig-Wolfenbüttel unterworfen wurde, wurde das Rathaus nicht mehr benötigt. Unter anderem da bald danach in der Stadt wieder in jedem Jahr zwei Messen abgehalten wurden, die zahlreiche Besucher anzogen, wurde ein Teil der Gebäude in den Neubau einer 1690 eröffneten Oper einbezogen, die man auf einer Karte von 1755 [6] sieht.
Das Opernhaus kann man sich ziemlich gut vorstellen, da Ludwig Tacke es auf einem Gemälde festgehalten hat [7]. Auf dem Bild sieht man übrigens auch den Vorläufer des Heinrichsbrunnens aus dem Jahr 1407, also kurz vor der Errichtung des Brunnens auf dem Altstadtmarkt. Der Brunnen war wohl von einem Baldachin mit einer Statue der Heiligen Katharina bekrönt. Das kann man hier aber nicht erkennen. 1814 wurde der Brunnen eingeschmolzen, um Kanonen zu bauen, die jetzt als wichtiger erachtet wurden als Heilige.

Das Opernhaus wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts als nicht mehr repräsentativ genug empfunden. Am Ende des Steinwegs wurde 1860 der bis heute erhaltene Neubau eingeweiht. Vier Jahre später wurde im Gegenzug das Gebäude auf dem Hagenmarkt abgerissen, der nun deutlich an Größe zulegte (Kartenausschnitte von 1836 [8], 1889 [9], 2021 [10]). Die Casparistraße wurde 1884/85 angelegt und verband nun den Hagenmarkt über den Ruhfäutchenplatz mit dem Bahnhof. Möglich wurde das, weil der in diesem Bereich verlaufende Burgmühlengraben (der dem ursprünglichen Okerverlauf entspricht) verrohrt worden war.
Karte
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Bildquellen
- [1] Hagenmarkt Braunschweig
Gemeinfrei - [2] Rudolf Prescher: Der rote Hahn über Braunschweig
CC-BY-NC - [3] Braunschweig. Hagenbrücke und Katharinenkirche
Gemeinfrei - [4] Die Fachwerkhäuser der Stadt Braunschweig : ein kunst- und kulturhistorisches Bild
CC-BY-NC - [5] Braunschweig 1606
Gemeinfrei - [6] Braunschweig 1755
Gemeinfrei - [7] Hagenmarkt mit Opernhaus von Westen
Ludwig Tacke
Gemeinfrei - [8] Braunschweig mit der Promenade und den daranstoßenden Gärten
Carl Maré, Carl Wilhelm Schenk
Gemeinfrei - [9] Ortsbauplan der Stadt Braunschweig 1889
Friedrich Knoll
Gemeinfrei - [10, Karte] OpenStreetMap
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