Östliches Ringgebiet – Okernähe

Kein Mensch konnte mir bisher sagen, warum die Adolfstraße so heißt. Benannt ist sie natürlich nicht nach dem Adolf, sondern nach Anton Adolf Heinrich Bammel, Lackierfabrikant und Stadtrat. Aber trotzdem: wo verwendet man Vornamen für Straßennamen?

Die Adolfstraße ist der Inbegriff großbürgerlicher Prachtbauten. Im südlichen Bereich ist sie seit 1960 durch den Bau der überdimensionierten Kurt-Schumacher-Straße (der mehrere Abbrüche mit sich brachte) entstellt, aber nicht weit danach fängt’s an.

Adolfstraße I

Vor einigen Jahren standen hier noch hohe Bäume. Auch wenn man Bäume mag, tut es den hellen in der Sonne strahlenden Putzbauten aus den 1880er Jahren gut, frei zu stehen.

Adolfstraße II

Die Adolfstraße wurde nur marginal vom Krieg getroffen, aber Bombentreffer haben hier auch Kuriositäten entstehen lassen. Ein Haus, das zur Okerseite in aller Pracht erscheint…

Adolfstraße III Okerseite

…ist in Wirklichkeit nur ein Torso – die erhaltene Hälfte wurde einfach mit einer Wand nach Osten hin abgeschlossen.

Adolfstraße III Straßenseite

An der Ecke zur Leonhardstraße steht das Wilhelm-Gymnasium. Entsprechend der Mode der Zeit wurde der Eingangsbereich mit Aula neugotisch gestaltet.

Wilhelm-Gymnasium

Auf der anderen Straßenseite strahlt ein symmetrischer Häuserblock in der Sonne. Auch hier hat offenbar der Krieg einigen Dächern zugesetzt.

Leonhardstraße

Von der Okerbrücke aus kann man schon den Wasserturm von 1901 auf dem Giersberg sehen. Max Osterloh hat ihn in ähnlichem Prunk wie mehrere Kaufhäuser am Sack entworfen. Offenbar hatte man zu dieser Zeit noch einen Sinn für Industriearchitektur.

Oker und Wasserturm

Etwas schlichter als das Wilhelms-Gymnasium ist der Bau einer Bürgerschule hundert Meter weiter östlich, der inzwischen als Außenstelle des Gymnasiums genutzt wird.

Wilhelm-Gymnasium Außenstelle

Nördlich der Adolfstraße folgend, stoßen wir bald auf die Helmstedter Straße, wo sich gleich auf der anderen Okerseite das Herzog-Anton-Ulrich-Museum befindet.

Blick über die Oker auf der Herzog-Anton-Ulrich-Museum

Direkt an der Okerbrücke stehen zwei klassizistische Torhäuser aus der Zeit des Wallring-Umbaus um 1820. Heute ist in beiden das Museum für Photographie untergebracht, das von einem kleinen Verein betrieben wird.

Museum für Photographie

An der Kreuzung der Helmstedter mit der Hochstraße etwas bergan befindet sich ein etwas kurioses Gebäude. Ursprünglich war hier eine Gießerei. Man könnte meinen, dass alle Standbilder des 19. Jahrhunderts in Braunschweig hier hergestellt wurden: die Reiterstandbilder vor dem Schloss, die Quadriga auf dem Schloss, dazu Lessing, Gauß und Heinrich der Löwe.

Die heutige Gestalt hat das Gebäude aber erst im 20. Jahrhundert bekommen. Das Türmchen wird einem bekannt vorkommen, wenn man vorher an der Ostfassade der Burg vorbeikommen ist. Wahrscheinlich wird dieses Haus deshalb auch Okerburg genannt.

Genutzt wird das Gebäude heute von der Schlaraffia. Männerbünde sind für mich nicht unbedingt etwas, das die Welt braucht. Aber es nötigt mir Respekt ab, dass sie es geschafft haben, Braunschweig die Otto-Bögeholz-Straße zu verschaffen, die nach einer Person benannt ist, die nie gelebt hat.

Okerburg

An der Hochstraße kommt man direkt am Wasserturm vorbei, der hier ideal platziert ist: der Giersberg liegt mit 84 m NN deutlich über der Innenstadt.

Wasserturm

Ein Gebäude mit seltsamer Baugeschichte finden wir in der Bismarckstraße. Heute ist es das Senioren- und Pflegezentrum St. Vincenz. Auf den ersten Blick könnte man meinen, das Gebäude wäre von vornherein auf diese Größe ausgelegt gewesen.

St. Vincenz

Tatsächlich sah es im 19. Jahrhundert von der Okerseite mal so aus [1].

Villa Cramer von Clausbruch

Die Villa wurde von Constantin Uhde (Architekt des TU-Hauptgebäudes) für den Hofmarschall Cramer von Clausbruch entworfen. Mit zwei Geschossen und einem Mezzaningeschoss und einer breiten Front war es für eine Privatvilla ein die Umgebung ungewöhnlich dominierender Bau.

Mit dem Ersten Weltkrieg ging die Zeit für Hofmarschälle vorbei, die Familie siedelte zum Elm um. 1933 wurde das Gebäude schließlich als Krankenhaus umgenutzt und von den Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul betreut. In dieser Funktion wurde es umgebaut und erweitert, Kriegsschäden führten zu Vereinfachungen der Fassade und zu weiteren Umbauten, die sich bis in die 1980er Jahre hinzogen. Aus dem Flachdach wurde ein ausgebautes Dachgeschoss. Zwischen den beiden unteren Geschossen wurde ein komplettes neues Geschoss eingezogen. Die einstige Frontbreite erkennt man an den beiden Risaliten zur Bismarckstraße. 2016 wurde der Krankenhausbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Als Pflegeheim wird es jetzt von der Evangelischen Stiftung Neuerkerode betrieben.

Trotz den Umbauten ist von dem Gebäude immer noch viel sehenswerte Substanz übriggeblieben. Man ahnt, dass Uhde hier Eindrücke von einer Andalusien-Reise eingebracht hat.

St. Vincenz Detail 1
St. Vincenz Detail 2
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