Braunschweigische Südbahn
Nachdem dafür gesorgt worden war, dass der West-Ost-Verkehr durch Braunschweig floss, war das nächste Projekt die Verbindung in den Süden. Da es mit der Trasse nach Harzburg eine relativ genau Richtung Süden führende Strecke gab, die es wegen der Harzberge nicht ohne weiteres weitergeführt werden konnte, war es naheliegend, eine Verbindung Richtung Südwesten herzustellen, wo auch die alten Handelsstraßen Richtung Kassel und weiter nach Frankfurt verliefen. Die Hoffnung war, sich in den Verkehr von Nordost nach Südwest einzuschalten, also etwa in die Verbindung Berlin – Frankfurt. Gleichzeitig würde so eine Verbindung zu braunschweigischem Gebiet im Weserbergland herzustellen sein.
Grundsätzlich war es in dieser Richtung unmöglich, eine Verbindung zwischen nördlichem und südlichem Teil des Herzogtums herzustellen, ohne dabei hannoversches Hoheitsgebiet zu durchqueren. Hannover hatte Interesse daran, eine Verbindung zwischen seiner Landeshauptstadt nach Süden herzustellen und dabei braunschweigisches Hoheitsgebiet zu berühren. Da Hannover aber bei anderen Projekten (wie einer West-Ost-Verbindung, die die Strecke zwischen Hildesheim und Halberstadt unter Umgehung Braunschweigs einbezog) die besseren Karten hatte, setzte sich unter verschiedenen Optionen für die braunschweigische Südbahn eine Trassenführung durch, die Hannover stark entgegenkam. Im November 1852 kam ein Staatsvertrag zustande, der beide Strecken betraf.

Von der Stadt Hannover ausgehend wurde 1853/54 die von den Königlich Hannöversche Staatseisenbahnen betriebene Hannoversche Südbahn freigegeben, die durchs Leinetal über Alfeld nach Göttingen führte. In Kreiensen durchquerte sie braunschweigisches Gebiet. Für die braunschweigische Südbahn wurde festgelegt, dass sie in Börßum von der Harzburger Strecke abzweigt und Richtung Südwesten über Ringelheim (heute zu Salzgitter gehörend, hannoversch), Seesen (braunschweigisch) und Harriehausen (hannoversch) nach Kreiensen führte und dort auf die Hannoversche Südbahn treffen sollte.
Die braunschweigische Südbahn hatte hügeliges Gelände zu durchqueren. Viele Brückenbauwerke trieben die Kosten nach oben. Im August 1856 wurde sie schließlich in Betrieb genommen. Der Bahnhof Börßum wurde zu dieser Zeit ein paar hundert Meter nach Süden verlegt und wurde zusätzlich zum Haltepunkt der Südbahn.
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Jerxheim – Helmstedt
Wie man heute noch – in Form von ehemaligen Tagebauen – sehr schön auf Satellitenaufnahmen sieht, gab es zwischen Schöningen und Helmstedt große Vorkommen von Braunkohle. Für das Herzogtum waren sie in einer Zeit von Eisenbahn und Dampfmaschinen zunehmend wichtig, um Devisenabflüsse ins Ruhrgebiet und nach Schlesien zu vermeiden. Da die hier abgebaute Braunkohle (mit einem Wassergehalt von rund 40 %) einen geringen Brennwert aufweist, war es um so wichtiger, zumindest die Transportkosten zu reduzieren, um sie im eigenen Land konkurrenzfähig zu machen.
Als nächste Anbindung bot sich der Bahnhof Jerxheim auf der Strecke zwischen Wolfenbüttel und Oschersleben an, von dem aus nun eine Stichbahn nach Helmstedt gebaut wurde. 1858 erfolgte die Inbetriebnahme. Helmstedt wurde erst Jahre später anderweitig ins überregionale Eisenbahnnetz eingebunden; diese Strecke hatte also rein regionale Bedeutung.
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Fortführung der Südbahn
Die 1856 eröffnete Südbahn bildete eine Verbindung zwischen Weserbergland und Braunschweig. Schon vorher, nämlich abschnittsweise zwischen 1850 und 1853, hatte die Königlich-Westfälische Eisenbahn-Gesellschaft quasi das Gegenstück auf der anderen Seite der Weser geschaffen: eine Strecke zwischen Hamm über Soest, Paderborn und Altenbeken nach Warburg. Durch einen Lückenschluss zwischen beiden deutete sich an, dass man eine alternative und sogar kürzere West-Ost-Verbindung schaffen könnte, die hannoversches Gebiet komplett umgehen würde. Diese Verbindung zwischen den westlichen und östlichen Provinzen Preußens war natürlich für dieses Land erstrebenswert.

1865 wurde die Südbahn durchs Weserbergland (nördlich am Solling vorbei) bis Holzminden erweitert, das ebenfalls braunschweigisch war. Schon ein Jahr vorher war von der Königlich-Westfälischen Eisenbahn-Gesellschaft die Eggebahn zwischen Höxter und Altenbeken eröffnet worden. Nun fehlte noch das relativ kurze Stück zwischen Holzminden und Höxter. Es wurde erst 1868 eröffnet. Erst zu diesem Zeitpunkt war ein durchgehender Verkehr zwischen Hamm und Wolfenbüttel möglich. In gewisser Weise war die ursprüngliche Motivation den Streckenverlauf zu diesem Zeitpunkt schon wieder obsolet: 1866 hatte Preußen Hannover annektiert und hätte nun auch ohne Widerstand einen Verlauf über hannoversches Gebiet anordnen können.
Eine weitere Optimierung, wenn man jetzt Verkehr aus Westfalen über die Südbahn auf kürzestem Wege weiter nach Osten lotsen wollte, bestand nun darin, den Umweg über Wolfenbüttel zu vermeiden. Also wurde nun die Abkürzung zwischen Börßum und Jerxheim gebaut. Eröffnet wurde sie ebenfalls 1868. In der Karte unten sind die beiden Neubaustrecken rot zu sehen und wie sie an die vorher bestehenden (Börßum – Kreiensen und Wolfenbüttel – Jerxheim – Oschersleben) anschließen.

Im Kontext mit den anschließenden Trassen Richtung Ruhrgebiet und Frankfurt auf der einen Seite und Berlin auf der anderen Seite konnte diese Strecke einerseits eine wichtige überregionale Verbindung werden. Andererseits wurde hier erstmals von dem Prinzip abgewichen, die Hauptstadt des Herzogtums zum Ankerpunkt der braunschweigischen Eisenbahnen zu machen: Börßum wurde als der Südbahn mit der Trasse Braunschweig – Harzburg ein wichtiger Rangierbahnhof. Noch heute überrascht die Größe des 1868 fertiggestellten Empfangsgebäudes, die man von dem heute unbedeutenden Haltepunkt nicht erwartet. Nahe dem Bahnhofsgebäude gibt es auch einen alten Ringlokschuppen, in dem heute ein Verpackungsunternehmen sitzt.
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Bildquellen
- [1, 2] Bahnhöfe Gandersheim, Holzminden
Ansichten alter Bahnhöfe in Braunschweig und Umgebung
CC-BY-NC - [Karten] OpenStreetMap
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