Bisher war die Eisenbahn im Herzogtum eine rein staatliche Angelegenheit gewesen. So hatten es auch andere Staaten gehalten: Hannover zum Beispiel hatte bis zu seinem Ende nur die Staatseisenbahn. In anderen Staaten wie Preußen und Sachsen gab es dagegen vor allem Privatbahnen. Neben dem politischen Gestaltungswillen hatte dies auch damit zu tun, dass die Kapitalmärkte nicht überall in gleichem Maße in der Lage waren, die enormen Investitionen für den Eisenbahnbau aufzubringen. Im Rahmen des Baus der Helmstedter Bahn wandte sich Braunschweig erstmals an eine nichtbraunschweigische Bank, um dort Kredite aufzunehmen.
Nun war es aber auch so, dass die Eisenbahnen den braunschweigischen Haushalt in ein starkes Ungleichgewicht brachten: die Verschuldung durch den Eisenbahnbau überstrieg die übrige Verschuldung um ein Vielfaches. Je höher in den 1860er Jahren das Risiko mit dem Betrieb der Bahnen wuchs – zum Beispiel durch Anlage von konkurrierenden Strecken wie der Berlin-Lehrter Bahn – desto lauter wurden die Stimmen, die eine Verlagerung des Risikos in private Hände durch den Verkauf der Bahnen forderten. Dabei wurde aber auch betont, dass der zukünftige Besitzer bevorzugt einer sein sollte, der die wirtschaftlichen Interessen Braunschweigs berücksichtigen würde.
Das war freilich ein frommer Wunsch, wenn man die Bahnen an Unternehmen außerhalb des Herzogtums veräußern würde. Umgekehrt waren aber auch die Aussichten beim Behalten im Staatsbesitz düster: Preußen war seit der Annexion von Hannover und Kurhessen im norddeutschen Raum ein dominanter Verhandlungspartner. Auch hatte man im Fall der Berlin-Lehrter Bahn gesehen, dass Preußen keine Skrupel hatte, Strecken zu konzessionieren, die in ruinösem Wettbewerb mit anderen Bahngesellschaften stehen würden.
Ein Angebot für einen Kauf kam schließlich 1869 von der Bank für Handel und Industrie in Darmstadt, die schon vorher Kreditgeber für den braunschweigischen Eisenbahnbau war. Nachdem die Regierung ihre Verkaufsabsichten öffentlich hatte bekannt werden lassen, meldeten sich außerdem die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft (BPME), die Hannover-Altenbekener Bahn sowie die Berliner Disconto-Gesellschaft. Weitere Verhandlungen führten schließlich zum Verkauf an besagte Bank, die das gesamte Bahneigentum in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln hatte. An der Aktiengesellschaft, genannt Braunschweigische Eisenbahngesellschaft, war schließlich ein Konsortium aus mehreren Banken (darunter auch die Disconto-Gesellschaft) beteiligt, außerdem die BPME und die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft (BME) in Elberfeld.
Der Kaufpreis betrug 11 Millionen Taler sowie eine 64 Jahre lang zu zahlende Annuität von 875.000 Talern. Weiterhin war Teil der Vereinbarungen, dass schon vorhandene Baupläne weitergeführt werden und dass weitere Verbindungen von Braunschweig nach Hildesheim sowie zur Berlin-Lehrter Bahn zu schaffen seien (wobei nicht festgelegt wurde, wo die Anbindung an Berlin-Lehrte erfolgen sollte – Kandidaten waren Gifhorn oder Oebisfelde). Die Veräußerung wurde rückdatiert auf den 1. Januar 1869. Damit endet die Geschichte der Braunschweigischen Staatseisenbahn. Bis 1872 verkauften die Banken ihre Aktien, so dass die Braunschweigische Eisenbahngesellschaft je zur Hälfte der BPME und der BME gehörte. So war die Gesellschaft zwar formal eine Aktiengesellschaft, die Aktien wurden aber überhaupt nicht anderen Anlegern zugänglich gemacht.
Die ersten Jahre der Existenz der Braunschweigischen Eisenbahngesellschaft zeigten vor allem, dass von dieser nicht zu erwarten war, dass sie die in Braunschweiger Kreisen erwarteten Projekte in Angriff nehmen würde. Das sollte man nicht auf Rücksichtslosigkeit zurückführen. Die neuen Besitzer der Gesellschaft waren Aktiengesellschaften, mussten also ihre Rendite im Blick behalten, insbesondere also die bei Neubaustrecken zu erwartende Rendite. Die Dividende der Braunschweigischen Eisenbahngesellschaft sank von 7.5 % im Jahr 1871 auf 3 % im Folgejahr. In den Jahren darauf konnte gar keine Dividende bezahlt werden. Die Wirtschaftskrise, die auf den Gründerkrach 1873 folgte, machte sich bemerkbar. Kredite für den Bau von Eisenbahnen waren schwerer zu bekommen. Zudem musste die BPME ein Interesse haben, nicht mit neuen Strecken ihre Konkurrenten – wie wie z. B. die Magdeburg-Halberstädter Bahngesellschaft – durch einen Anschluss an die Berlin-Lehrter Bahn zu fördern.
In eine neue Phase treten wir schließlich dadurch, dass Preußen zahlreiche Bahngesellschaften auf seinem Gebiet verstaatlichte, darunter auch die BPME (1879) und die BME (1882). Nun war Braunschweig also auf Gedeih und Verderb auf das Wohlwollen des preußischen Staats angewiesen. Es wurde schließlich im Juni 1884 ein Vertrag zwischen Braunschweig und Preußen geschlossen, der unter anderem beinhaltete, dass die Braunschweigische Eisenbahngesellschaft vollständig in der Preußischen Staatsbahn aufging. Im Gegenzug gingen alle Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft auf den Preußischen Staat über. Dazu gehörte, den Neubau von Strecken von Blankenburg (über Elbingerode) nach Tanne sowie von Braunschweig (über Derneburg) nach Seesen durch Privatgesellschaften zuzulassen. Beide mussten preußisches Territorium durchqueren. Ebenso gehörte dazu der schon 1870 beim Verkauf versprochene Bau einer Verbindung zwischen Braunschweig und Hildesheim sowie einer zwischen Braunschweig und Gifhorn.