Entwicklung der West-Ost-Verbindungen

Lehrte – Berlin

Die bisherige Verbindung Braunschweigs nach Osten war vor allem pragmatischen Überlegungen geschuldet: wegen des Baus der Strecke Magdeburg – Halberstadt durch eine private Eisenbahngesellschaft auf preußischem Gebiet hatte es gereicht, die Trasse Wolfenbüttel – Oschersleben auf relativ unproblematischem Terrain zu bauen. Inzwischen hatten sich die Ansprüche gewandelt. Für die die Verbindung der westlichen Teile Deutschlands mit Berlin gab es im Prinzip verschiedene Optionen, die verschiedenen Parteien – sowohl Staaten als auch privaten Bahngesellschaften – entgegenkamen, für andere aber nachteilig waren. Es war also wieder eine Zeit der Verhandlungen, der Bündnisse und Machtposen.

Braunschweig wollte endlich Helmstedt anbinden – immerhin die zweitwichtigste Stadt im Herzogtum -, gleichzeitig aber der bestehenden West-Ost-Strecke keine Konkurrenz machen. Das hätte man mit einer Strecke Braunschweig – Helmstedt – Genthin erreichen können – in Genthin hätte es Anschluss an die Strecke der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngellschaft gegeben. Das preußische Militär wiederum lehnte aus strategischen Gründen eine Elbbrücke zwischen Magdeburg und Wittenberge ab. Ein wirtschaftliches Interesse hatte die Disconto-Gesellschaft (eine der Vorläuferbanken der Deutschen Bank). Dieses setzte sich gegen die militärstrategischen Einwände durch.

Dann setzte die Disconto-Gesellschaft aber auch eine Streckenführung durch, die sowohl Braunschweig als auch Magdeburg umgeht: die Strecke Lehrte – Stendal – Berlin. Eine Einigung mit Hannover wurde erreicht, wurde dann aber letztlich 1866 obsolet: nach dem Krieg gegen Österreich annektierte Preußen sowohl Hannover als auch Nassau, Hessen-Kassel und Frankfurt. Damit konnte es nun auf eigenem Territorium Braunschweig praktisch beliebig umgehen und hatte war in Norddeutschland machtpolitisch ohnehin dominant.

Der Bau der Bahn wurde 1870 begonnen und schon im folgenden Jahr abgeschlossen. Ihre langfristige Bedeutung der Entscheidung für diese Trasse für die mangelnde Verkehrsanbindung Braunschweig kann kaum überschätzt werden. Die meisten Fernverbindungen von Berlin Richtung Westen führen heute über diese Strecke, die seit 1999 als Schnellfahrstrecke ausgebaut ist und weitenteils schnurgerade durch die Landschaft führt. Die schnellste Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und Sachsen führt über diese Schnellfahrstrecke. Immerhin gibt es eine ICE-Verbindung: die zwischen Berlin und Frankfurt. Aber selbst für diese gibt es inzwischen eine kürzere und schnellere Alternative über Erfurt.

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Braunschweig – Helmstedt – Magdeburg

Durch die Strecke Berlin – Stendal – Hannover waren nun sowohl Braunschweig als auch Magdeburg aus dem Verkehr zwischen diesen großen Städten ausgeschlossen, ebenso zwei Eisenbahngesellschaften: Die Herzoglich Braunschweigische ebenso wie die Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn. Als Antwort darauf nahmen diese Gesellschaften die Pläne einer direkteren Verbindung wieder auf, von der nicht nur die Verbindung Braunschweig – Magdeburg profitieren würde, sondern auch die weiter nach Sachsen, die durch die Verbindung zwischen Hannover und Berlin nicht abgedeckt waren.

Kandidaten waren eine Abkürzung der Trasse Jerxheim – Magdeburg über Eilsleben statt wie bisher über Oschersleben (bevorzugt von der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn), und eine Trasse Braunschweig – Helmstedt – Eilsleben – Magdeburg (bevorzugt von Braunschweig). In den Verhandlungen behielt Braunschweig die Oberhand, und so wurde schließlich 1872 die letztere der beiden Trassen eröffnet.

Bahnhof Helmstedt [1]

Mit dem Bau der Eisenbahn ging auch eine Verlegung des Magdeburger Hauptbahnhofs von südlich zu westlich der Altstadt einher. In Braunschweig gab es Diskussionen über die Einmündung der Strecke in den Bahnhof: Bisher gab es nur Einmündungen aus Westen und Süden. Eine Einmündung aus Osten am Wall entlang hätte ermöglicht, aus dem Kopfbahnhof teilweise einen Durchgangsbahnhof zu machen, hätte aber diverse Nachteile gehabt. Die gewählte Lösung war schließlich die die Führung der Trasse Richtung Osten mittels einer Okerbrücke südlich des Bürgerparks (den es damals noch nicht gab). Der Bahndamm, der den Richmond-Park vom Bürgerpark abtrennt, stammt aus dieser Zeit.

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